Familien­planung soll nicht am Geld scheitern

Beratungsstelle pro familia zieht Bilanz für den von Stadt und Landkreis Kassel eingerichteten Verhütungsmittelfonds für Menschen mit geringem Einkommen

Region Kassel. Familienplanung soll nicht am Geld scheitern. Darin waren sich die Kasseler Bürgermeisterin Ilona Friedrich und der Vizelandrat des Landkreises Kassel, Andreas Siebert, bei einem Pressetermin in der Kasseler Beratungsstelle von pro familia einig. Der Anlass: Seit einem Jahr unterstützen die Stadt und der Landkreis Kassel mit einem Verhütungsmittelfonds Menschen mit geringem Einkommen bei der Familienplanung. Nun wurde eine erste Bilanz gezogen.

(v.l.) Vizelandrat Andreas Siebert, Petra Zimmermann, die Geschäftsführerin der Kasseler Beratungsstelle von pro familia, und Bürgermeisterin Ilona Friedrich zogen eine erste Bilanz zu dem vor einem Jahr eingeführten Verhütungsmittelfonds für Menschen mit geringem Einkommen.

"Aus unserer Beratungstätigkeit wissen wir schon lange, dass Menschen, die für ihren Lebensunterhalt auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sind, sich sichere Verhütungsmittel oft nicht leisten können", erklärte Petra Zimmermann, die Geschäftsführerin der Kasseler Beratungsstelle von pro familia. Deshalb sei sie froh über die Unterstützung aus Stadt und Landkreis. Denn, so Zimmermann: "Jede Frau und jeder Mann soll frei entscheiden können, ob, wann und wie viele Kinder gewünscht sind. Das ist ein Menschenrecht."

Dann legte sie Zahlen vor: Eingebettet in eine Beratung wurden in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 93 Anträge auf Unterstützung aus dem Fonds bewilligt. Davon kamen 64 Personen aus der Stadt Kassel und 29 aus dem Landkreis. "Auffällig ist", so Zimmermann, "dass bisher nur Frauen Anträge gestellt haben." Dies zeige leider, dass die Verantwortung und die Kosten für eine sichere Verhütung weiterhin überwiegend auf den Schultern der Frauen liege.

Rund 3.300 Euro wurden dem Fonds bisher entnommen, der damit nur zu ungefähr der Hälfte ausgeschöpft wurde. "Vielleicht liegt das daran, dass sich diese Möglichkeit der Unterstützung noch nicht so herumgesprochen hat", vermutet Zimmermann. Man könne davon ausgehen, dass es einen höheren Bedarf gibt.

"Wir sind sehr froh, dass wir diese Lösung gemeinsam mit der Beratungsstelle von pro familia gefunden haben", betonte Vizelandrat Siebert. Denn die Frage der Verhütung sei doch sehr persönlich. "Das lässt sich besser hier klären, als auf dem Amt." Das Programm solle weitergeführt werden. Wenn mehr Anträge gestellt würden, sei man durchaus bereit auch finanziell nachzusteuern.

Diese Bereitschaft signalisierte auch Bürgermeisterin Friedrich: "Es kann nicht sein, dass Menschen in schwierigen finanziellen Verhältnissen unsicher verhüten. Der Verhütungsmittelfonds eröffnet hier ein Stück "Freiheit" für die betroffenen Menschen."
Letztlich sei der Verhütungsmittelfonds aber nur eine Zwischenlösung auf dem Weg zu einem noch ausstehenden bundesweit einheitlichen Rechtsanspruch. "Die Bundesregierung ist aufgefordert hier schnell Abhilfe zu schaffen", so Friedrich abschließend.

Hintergrund:
Ein Antrag auf Kostenübernahme aus dem Verhütungsmittelfonds kann bei pro familia gestellt werden, wenn die betreffende Person ALG II, Sozialhilfe, Wohngeld, Kinderzuschlag oder Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz erhält. Ebenso berechtigt sind bedürftige Studierende, Auszubildende und Menschen mit Behinderung. Dies ist vor dem Kauf entsprechend nachzuweisen.

Welche Kosten werden übernommen? Für die Antibaby-Pille, Vaginalring, Hormonpflaster, Dreimonatsspritze, Kondome, Diaphragma und Verhütungsgel je 35 Euro. Für Spirale, Implanon sowie Sterilisation einmalig 75 Euro.

Bei einer Spirale wird ein Kostenvoranschlag des Arztes benötigt, bei der Pille ein entsprechendes Rezept. Nicht rezeptpflichtige Verhütungsmittel können direkt bei der Beratungsstelle beantragt werden.

Weitere Informationen bei der Kasseler Beratungsstelle von pro familia, Breitscheidstr. 7, 34119 Kassel, Telefon: 0561-76619250