Trendelburg. Wer in den vergangenen Tagen in der Nähe des „Kleinen Hölzchens“ oberhalb von Sielen unterwegs war, dem wird es nicht entgangen sein: Das Landschaftsbild dort hat sich gewandelt. Wo früher rund um das „Kleine Hölzchen“ unterhalb der „Papenbreite“ noch zum Teil enges Gestrüpp vorherrschte, prägen nun nur noch vereinzelte Gehölze den Blick über die Fläche. Noch ist die Bodenoberfläche arm an Bewuchs. Doch das wird sich ändern, sobald Licht und Wärme für Wachstum sorgen und sich der ursprüngliche Kalkmagerrasen, dank der Entnahme der Gehölze, wieder entwickeln kann.
„Nährstoffarme Grasland-Lebensräume, ganz besonders Kalkmagerrasen, sind sehr wertvoll, da sie durch eine hohe Artenzahl gekennzeichnet sind“, erläutert Jürgen Düster, Fachdienstleiter Landschaftspflege beim Landkreis Kassel. Wegen ihrer großen Bedeutung für den europäischen Artenschutz zählen sie zu den wichtigen Lebensraumtypen. „Leider sind diese Flächen seit dem 2. Weltkrieg immer seltener geworden“, so Düster. Die Ursache: Die immer intensiver wirtschaftende Landwirtschaft hat sich von diesen schwerer zugänglichen Flächen zurückgezogen, wodurch sie brachgefallen und mit Büschen und Bäumen zugewachsen sind. In der Folge sind durch den Mangel an Licht und Wärme viele wertvolle Arten verschwunden.
Nun also ein Neuanfang: „Die von uns mit der Gehölzreduzierung beauftragte Firma ist angewiesen, wertvolle Gebüschgruppen, Bäume, vor allem den Kiefernwald als besonders prägende Landschaftselemente stehen zu lassen“, erläutert Düster. „Lediglich die den Kalkmagerrasen negativ beeinflussenden Gehölze sollen entnommen werden.“ Düster ist optimistisch, dass die freigestellten Flächen in den nächsten Jahren durch einen Schäfer aus der Region beweidet werden können. „Die Vierbeiner sind heute wie früher die besten und günstigsten Landschaftspfleger für den Kalkmagerrasen“, betont er.
Die Renaturierung bei Sielen ist Teil eines großen Renaturierungsprojekts im Warme- und Diemeltal sowie auch im Raum Hofgeismar, welches etwa 50 bis 60 Hektar in Nordrhein-Westfalen und Hessen umfasst. Wissenschaftler der Universität Osnabrück unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Fartmann begleiten das Projekt als sogenanntes Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben (E+E-Vorhaben). Finanziert werden die Arbeiten vom Bundesamt für Naturschutz sowie den Ländern Hessen und Nordrhein-Westfalen.
Hintergrund:
Durch die Renaturierung von Kalkmagerrasenflächen wird die Ansiedlung mehrerer Arten gefördert. Darunter der Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata) und das Helm-Knabenkraut (Orchis militaris). Darüber hinaus Schmetterlinge wie der Große Perlmutterfalter (Argynnis aglaja), der Komma-Dickkopffalter (Hesperia comma), der Kreuzenzian-Ameisenbläuling (Phengaris rebeli), der Ehrenpreis-Scheckenfalter (Melitaea aurelia) und der Kreuzdorn-Zipfelfalter (Satyrium spini). Zudem profitiert die Zauneidechse von mehr Licht und Wärme sowie dem verbesserten Nahrungsangebot.