Nicht weniger als 55 Hektar Kalkmagerasen wurden im Projekt „Nachhaltige Renaturierung von Kalkmagerrasen in Zeiten des globalen Wandels“ in Hessen und Nordrhein-Westfalen wiederhergestellt. Thymian, Kreuzblümchen, Habichtskraut, Skabiose, Zittergras und Co. haben jetzt wieder Licht zum Wachsen. Zum Abschluss zogen die Projektverantwortlichen und das Bundesamt für Naturschutz heute in Hofgeismar gemeinsam Bilanz.
Im Diemeltal an der Grenze von Nordhessen und Ostwestfalen gibt es sie noch: die „Kalkmagerrasen“. Sie gehören zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa. Auf wenigen Quadratmetern lassen sich mehr als 50 Pflanzenarten finden, die wiederum vielen Insekten wie der Knautien-Sandbiene, dem Kreuzenzian-Ameisenbläuling, der Thymian-Zirpe und dem Heidegrashüpfer als Nahrung dienen.
Doch die Vielfalt ist bedroht. Kalkmagerrasen sind Elemente der historischen Kulturlandschaft – geschaffen durch die Beweidung mit Rindern, Schafen oder Ziegen. In den letzten Jahrzehnten fielen allerdings viele Flächen brach, da die Bewirtschaftung nicht mehr rentabel war. Sträucher machten sich breit und verdrängten nach und nach die typischen Arten der Kalkmagerrasen.
Die hohe Bedeutung des Gebietes für den Naturschutz kennt Prof. Thomas Fartmann, Leiter der Abteilung für Biodiversität und Landschaftsökologie an der Universität Osnabrück bestens. Denn er und seine Arbeitsgruppe forschen schon seit fast 30 Jahren im Diemeltal. „Uns ist die Erhaltung dieser wertvollen Lebensräume mit ihrer besonderen Flora und Fauna sehr wichtig“, sagt Fartmann.
Gemeinsam mit dem Landkreis Kassel hatte die Universität deshalb im Jahr 2018 ein Naturschutzprojekt initiiert, das sich die Wiederherstellung von Kalkmagerrasen zum Ziel gesetzt hat. Projektpartner waren die Landschaftsstation im Kreis Höxter e.V. und das Naturschutzzentrum – Biologische Station – Hochsauerlandkreis e.V. Gefördert wurde das Projekt als Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums (Öffnet in einem neuen Tab) sowie von den Ländern Nordrhein-Westfalen (Öffnet in einem neuen Tab) und Hessen (Öffnet in einem neuen Tab) mit einem Volumen von insgesamt rund 1,7 Millionen Euro.
Projektleiter Jürgen Düster vom Landkreis Kassel betont, dass bei der Umsetzung der Maßnahmen großer Wert darauf gelegt wurde, wertvolle Strukturelemente wie markante Einzelbäume, Wacholderbüsche und kleine Strauchgruppen zu erhalten. Insgesamt konnten zwischen 2019 und 2022 knapp 55 Hektar Kalkmagerrasen in Hessen und Nordrhein-Westfalen wiederhergestellt werden. Thymian, Kreuzblümchen, Habichtskraut, Skabiose, Zittergras und Co. haben jetzt wieder Licht zum Wachsen. „Mit Hilfe regionaler Förderprogramme wurden für viele Maßnahmenflächen Bewirtschaftende gefunden. Sie sollen mit ihren Weidetieren auch nach Abschluss des Projekts die langfristige Offenhaltung der Flächen gewährleisten“, erklärt Thomas Ackermann, Umweltdezernent des Landkreises Kassel, die Entwicklung.
Dr. Sandra Balzer, Fachgebietsleiterin und Betreuerin des Projekts im BfN, freut sich über die Ergebnisse: „Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben wie das Projekt im Diemeltal ermöglichen es, Naturschutzmaßnahmen vor Ort umzusetzen und gleichzeitig innovative Methoden zu entwickeln, die später auch in anderen Regionen Anwendung finden können.“ Nachdem die Maßnahmen zur Renaturierung der Kalkmagerrasen im Projekt erfolgreich durchgeführt wurden, wird die wissenschaftliche Begleituntersuchung noch weitergeführt.
Eine der neuen Methoden, die im Projekt entwickelt wurde, ist der Insektenübertrag mit Hilfe eines Motorsaugers. Hiermit werden auf artenreichen Kalkmagerrasen Insekten punktuell eingesaugt und auf den Maßnahmenflächen wieder verteilt. Ob die Methode auch langfristig gut funktioniert, wird von der Universität Osnabrück derzeit noch erprobt. Wie sich die Maßnahmenflächen insgesamt entwickeln, wird von der Universität Osnabrück noch bis Sommer 2024 beobachtet, so dass dann auch ein detaillierteres Fazit hinsichtlich des Renaturierungserfolgs vorliegen wird.